Horb a.N. 05.03.2020. Das Thema ISO GPS gewinnt zunehmend an Bedeutung und die Umsetzung wird zum Kraftakt in den Unternehmen. Bei erfolgreicher betrieblicher Implementierung, die durchaus mehrere Jahre betragen kann und einer guten Planung bedarf, wird sie jedoch zu einem Wettbewerbsvorteil für das Unternehmen. Knapp 30 Teilnehmer fanden sich im Plastics InnoCentre des INNONET Kunststoff zusammen und informierten sich aus erster Hand zu dem Thema.
Der Begriff „ISO GPS“ beschreibt nicht etwa ein Global Positioning System, sondern das Regelwerk der Geometrischen Produktspezifikation der ISO. „ISO GPS“ – ein Begriff, der in den letzten Jahren zunehmend in den Entwicklungsabteilungen, der Produktion und in der Qualitätssicherung an Bedeutung gewinnt. Das GPS-Normensystem der ISO ist bereits heute eines der größten regelbasierten Normensysteme der Geschichte der ISO und besteht aktuell (Stand Anfang 2020) aus 149 veröffentlichten und 22 in Vorbereitung befindlicher, miteinander verknüpfter Standards.
Das Regelwerk ist anerkannter Stand der Technik und in Kunden-Lieferanten-Beziehungen rechtsverbindliche Vertragsgrundlage für die Produktentwicklung, die Produktion und Prozessüberwachung, die Qualitätssicherung und den Konformitätsnachweis, einschließlich Reklamationsmanagement. Dennoch ist das Regelwerk in vielen Unternehmen noch immer unbekannt oder unzureichend bzw. fehlerhaft implementiert – mit weitreichenden Folgen. Der kundenseitige Nachweis einer erfolgreichen betrieblichen Implementierung des GPS-Normensystems der ISO ist zunehmend eine notwendige Voraussetzung für eine Auftragsvergabe.
Das GPS-Normensystem der ISO ist ein auf mathematisch beschreibbaren Grundsätzen und Modellen basierendes, generisch aufgebautes und medienunabhängiges Regelwerk bzw. ein Operatorkonzept zur Beschreibung (Spezifikation) und Inspektion (Verifikation) der Mikro- und Makrogeometrie von Bauteilen und damit notwendige Voraussetzung für die digitale Transformation und Implementierung von „Industrie 4.0“ im CAD-CAM-CAQ-Informationsverbund. Wie rüsten sich heute Produktionsunternehmen und Dienstleister für dieses Regelwerk der Geometrischen Produktspezifikation „ISO GPS“ und wie nutzen sie die Chancen für ihre Angebots- und Konstruktionsprozesse?
Auf Initiative des Steuerkreismitglieds im INNONET Kunststoff, Prof. Steffen Ritter (Hochschule Reutlingen) konnte der Experte Prof. Volker Läpple, Leiter und Gründer des Steinbeis-Beratungszentrums Konstruktion | Werkstoffe | Normung in Schorndorf sowie Professor an der Hochschule Reutlingen gewonnen werden, um die Problematik aber auch die Notwendigkeit der Anwendung und betrieblichen Implementierung dieses Normensystems zu verdeutlichen.
Udo Eckloff, Fachreferent des INNONET Kunststoff setzte die Anregung in die Tat um und organisierte die 3. erfolgreiche Veranstaltung in Folge in diesem Jahr im Plastics InnoCentre in Horb am Neckar. „Zunächst schien mir das Thema zu trocken für eine ausreichende Teilnehmerzahl, aber ich war positiv überrascht, dass sich in kürzester Zeit 39 Teilnehmer angemeldet haben“ so Eckloff.
Moderiert wurde der Nachmittag von Stephan Klumpp, ebenfalls Mitglied des Steuerkreises des INNONET und Geschäftsführer des nach DIN EN ISO/IEC 17025:2018 akkreditierten Messtechnikunternehmens Proplas GmbH in seiner vertrauensvoll aufmunternden und schwäbisch stimulierten Art.
In seiner spritzigen Keynote stellte Prof. Läpple das Thema im Rahmen des INNONET science – Formats dar und verglich das Normenwerk mit der Straßenverkehrsordnung. „Ohne allgemeingültige Regeln läuft da auch nichts“ so Läpple. Aus seiner 15-jährigen Erfahrungen bei der Einführung und Umsetzung vieler GPS-Projekte im In- und Ausland in nahezu allen industriellen Bereichen sagte er: „80 % der Unternehmen „fahren“ in der Konstruktion und Qualitätssicherung mit veralteten und nicht mehr gültigen Regeln. Dies hat mitunter enorme Auswirkungen auf die Entwicklungskosten und -zeiten, die Produktkosten und die Produktqualität sowie auf Haftungsrisiken und Regressansprüche bei Geschäftsbeziehungen und Aufträgen, die heute zunehmend auf Basis von ISO GPS vergeben werden.
Die Hindernisse bei der Einführung von ISO GPS im Serien- und Sondermaschinenbau stellte Frau Lilli Vöhringer, CAD Admin und Normenstelle, Maschinenfabrik Lauffer GmbH & Co.Kg, ebenfalls Mitglied des INNONET Kunststoff dar. „Gerade die Abstimmung von Funktion und Tolerierung eines Bauteils muss zwischen Zulieferern und Hersteller besser geregelt werden.“ so Vöhringer. „Wir verlieren viel Zeit mit Diskussionen über Konstruktionszeichnungen“. Bei der Aktualisierung der Zeichensätze alter Sondermaschinen aber auch bei neuen Konstruktionen müssen Kompromisse zwischen den ursprünglichen Daten und der neuen Anforderung eingegangen werden. „Es ist ein langwieriger und zeitaufwändiger Prozess, den wir ständig verbessern und in alle beteiligten Abteilungen integrieren: Konstruktion, technischer Einkauf, mechanische Fertigung, Montage, Qualitätssicherung. Wir bleiben dran!“. So die Normenbeauftragte.
Zum Abschluss spannte Stephan Klumpp den Bogen von der Konstruktion eines Bauteils zu dessen fachgerechter Prüfung. „Wenn wir nicht wissen, welche Parameter wir bei einem Bauteil messen und bewerten sollen, weil die Produktspezifikation und Bauteilfunktion nicht bekannt sind, so sind wir auf die Erfahrung unserer Messtechniker angewiesen. Hier investieren wir viel in Messtechnologie, noch mehr aber in den Aufbau des Erfahrungspotentials unserer Mitarbeiter.“ Jedes noch so kleine Konstruktions- und Funktionsdetail wird durch die CT-Technologie festgehalten und die dabei gewonnene Erfahrung steht für weitere Messaufgaben zur Verfügung. „Eine eindeutige Festlegung der Sollparameter hinsichtlich Dimensionierung, Tolerierung und Funktion hilft uns natürlich sehr.“ meinte Klumpp. „Dies kann bei den beteiligten Akteuren nur durch einen direkt verantwortlichen Mitarbeiter erfolgen. Diese darf kein Projektleiter sein, sondern eine aktive Person, die mit Expertise und entsprechender Legitimation der Geschäftsleitung die Einführung und Umsetzung vorantreibt.“
In der anschließenden angeregten Diskussion, brachte sich unter anderem die Fa. Zeiss, als INNONET Mitglied mit zwei Mitarbeitern anwesend, ein. „Gerade in der Betrachtung des gesamten Prozesses von Produktentwicklung und bis zur Verifikation sind wir bei unseren Softwarelösungen herausgefordert, unterschiedliche Ausgangssituationen zu berücksichtigen. Die CAD/CAM Anbieter stehen hier in der Pflicht, ihre Programme entsprechend aufzurüsten. Auch in Hinblick auf MDB/PMI.“
Der Nachmittag endete mit regem Austausch beim Get-Together wobei viele Anwesende gute Kontakte sowohl im technischen als auch im Vertriebsbereich knüpften. An dem anonymen, digitalisierten Bewertungsverfahren im Anschluss beteiligten sich über 40% der Teilnehmer und vergaben insgesamt die Note 1,7. Die vielfältigen Anregungen der Umfrage für eine Weiterentwicklung des Themenbereiches werden vom INNONET in naher Zukunft umgesetzt.
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